Die Felsenkeller von Honzrath
Die 100 Honzrather Felsenkeller im Kappberg - früher waren es fast 140 - stellen ein charakteris-tisches Merkmal von Honzrath dar, denn weit und breit sind solche Keller in diesem Ausmaß nicht vorzufinden. Vielfach haben die Wurzeln der über den Kellern befindlichen Bäume, insbesondere der Akazien, Felsspaltungen bewirkt, die teilweise zum Einsturz führten. An einigen Kellern sind Schäden eingetreten, die im Gemeinde-rat eine ausgedehnte „Felsenkeller-Debatte" über Zuständigkeitsfragen zur Behebung der Gefahrenstellen auslösten. Verständlich, wenn man die Besitzverhältnisse, die wohl ihr Beispiel suchen, einer näheren Betrachtung unterzieht.
Wann die ersten Felsenkeller angelegt wurden, läßt sich nicht mehr exakt ermitteln. Man baute in früheren Jahrhunderten hierzulande nur selten Keller unter die Wohnhäuser. Wurden solche schon einmal vorgesehen, wölbte man sie, eine Bauweise, die erhebliche Mehrkosten verursachte. So sind die ersten Felsenkeller viel-leicht schon einige Jahrhunderte alt. Es war eine schwere Arbeit, die geleistet wurde. Mit der Spitzhacke wurde Zentimeter um Zentimeter aus dem harten Fels heraus gehauen. Bauern, die auf den Äckern Tag für Tag mühselige Arbeit verrichten mußten, hatten für diese Beschäftigung nicht alle Zeit und ließen sich die Keller brechen. Das kostete eine Menge Geld. Für einen Fuß Länge mit der üblichen Kellerbreite und -höhe forderte man im vorigen Jahrhundert einen Taler. Ursprünglich wurden die Keller von den Dorfbe-wohnern eigenmächtig angelegt. Dies hat seine Ursache darin, dass der Privatgrundbesitz früher ein gemeinschaftlicher zwischen den Bauern des Dorfes war. Diese Gemeinschaft umfasste ursprünglich den gesamten Bann einschließlich der Äcker, Wiesen, Weiden, Wald und sogar der Gärten. Die Ländereien wurden nach dem Verhältnis der Teilnahmerechte von Jahr zu Jahr neu vr-teilt. Mit Ausnahme der Gebäude und Hausgärten verblieb dieser Zustand bis zur Aufnahme des Katasters zwischen den Jahren 1829 bis 1834, womit der noch heute bestehende Zustand der Vererbung bzw. der freien Verfügungsberechtigung des Grundvermögens eingeleitet worden ist. Mit zunehmender Einwohnerzahl bzw. der Vergrößerung des Dorfes wuchs auch der Bedarf an Kellern. Am 7. April 1847 fasste der Gemeinderat folgenden Beischluss:
„Erwägend, dass von vielen hiesigen Einwohnern in die der Gemeinde zugehörigen Felsen unter Distrikt Kapp Ställe und Kellern eingehauen und bisher benutzt wurden, ohne dass die zustimmende Erlaubnis der Gemeinde Verwaltung dazu nachgesucht, noch für die Nutzung irgend etwas bezahlt worden ist, erwägend, dass außer den bisher unter den betreffenden Einwohnern bestandenen gegenseitigen Strittigkeiten, den anstoßenden Walddistrikten durch das unregelmäßige Einbauen der Kellern mancher Schaden zugefügt worden und wenn man das Einbauen für die Zukunft auch nicht ganz untersagen will dies doch nur mit Ordnung und unter Beschränkungen zu verstatten wäre, erwägend, dass solche anzuordnen, der Gemeinde zustehet, indem Grund und Boden, in welchen diese Ställe und Kellern gehauen, also auch letztere Gemeinde Eigenthum sind und dieses Eigen-thums Recht ohne Rücksicht darauf, dass die Einwohner die Kellern und Ställe eingehauen haben, aufrecht zu erhalten ist, bat der Gemeinde Rath einstimmig beschlossen, das Ein-hauen eines Kellers oder Stalles, oder auch nur das Erweitern eines solchen auf besagtem Gemeinde Distrikte soll künftig nur mehr auf spezielle Zustimmung des Gemeinde Raths und auf Anweisung desselben stattfinden können. In Rücksicht, dass die Einwohner die Ställe und Kellern gehauen haben, sollen ihnen diese zwar nicht entzogen werden, sie sollen jedoch gehalten seyn. solche gegen eine jährliche zu zahlende Taxe von fünf Silber-groschen in Erbbestand zu nehmen. Alle welche sich hierzu nicht eine'gt finden sollten, sollen wegen des Eigentumsrechtes gerichtlich verfolgt und nach für die Gemeinde güns-tiger Entscheidung, die Kellern öffentlich verpachtet werden, wie auch derjenige von ein bis fünf Thaler polizeigerichtlich bestraft werden soll, der künftig ohne Erlaubnis einen Stall oder Keller einhauet oder erweitert. Die durch Verzug oder Aussterben von Familien frei werdenden Ställe oder Kellern sollen jedesmal zum Vortheil der Gemeindekasse öffent-lich verpachtet werden."Der Beschluss trägt folgende Unterschriften: Nisgen, Bürgermeister, die Ge-meinderatsmitglieder: Mathias Kniespeck, Peter Kühn, Anton Heß, Jakob Schumacher, Niklas Butter, Niklas Niederkorn, Johannes Jost, Niklas Gaidt. Jakob Kammer, Johann Selzer, August Schon, Peter Spuller.
Damit blieb das Problem nach wie vor ungelöst. So wurden Ende letzten Jahrhunderts erneut Schritte eingelei-tet, um im Zuge der Fortschreibung der Liegenschaften mit Einrichtung des Grundbuchamtes eine Regelung zu erreichen. Zunächst war hierzu eine Vermessung notwendig, die um 1898 erfolgte. In der Messungsver-handlung vom 26.1.1898 heißt es, dass die Keller jedoch nicht aufge-messen werden, da der über denselben liegende Grund und Boden im Eigentum der Gemeinde verbleibt. Damit jedoch der Eigentümer jeden Kellers jederzeit ermittelt werden könne, wurde „ein Streifen vor den Kellern in der Lage und Anzahl derselben entsprechenden Parzellen eingeteilt." Es sollte also für jeden Kellerbesitzer diejenige Parzelle auf seinen Namen eingetragen werden, die vor dem ihm gehörenden Keller liegt. „Im Grundbuch", so heißt es wörtlich, „wird ein entsprechender Vermerk eingetragen und für jede Parzelle die Beschränkung, daß dieselbe als Weg zu den übrigen Kellern benutzt werden darf. Eine Vermarkung wurde nicht gewünscht, konnte auch wegen des felsigen Bodens nicht durchgeführt werden."
Vielseitig war die Verwendung der Keller. Es war ursprünglich keine Seltenheit, das die Keller für Wohnzwecke eingerichtet und benutzt wurden. Im vergangenen und auch in diesem Jahrhundert stellte man gern Vieh darin unter. Später dienten sie lediglich noch zur Aufbewahrung von Kartoffeln, Rüben und leicht verderblichen Lebensmit-teln und hier und da auch als Weinkeller. Die Keller haben stets eine gleichbleibende, kühle Temperatur und sind Kellern unter Wohnhäusern qualitativ weit überlegen.
Eine besondere Bedeutung kam den Felsenkellern von Honzrath in den Monaten November 1944 bis zum 19. März 1945, dem Eintreffen der amerikanischen Armeen, zu. Boten doch diejenigen Keller, deren Eingang nicht in der Richtung des gegneri-schen Artilleriebeschusses lag, sicheren Schutz. So konnte die Hälfte der Bevölkerung des Dorfes auf die Evakuierung und die mit ihr verbundenen Strapazen und Gefahren verzichten und war während vier Monaten in den Felsenkellern wohlgeborgen.
Vielleicht haben sie vielen der Bewohner das Leben gerettet. Damit fand die unvorstellbar schwere Arbeit unserer Vorfahren wohl ihre schönste Belohnung.