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Vom Aufstieg der Madame Buchela

Geradezu märchenhaft verlief der Aufstieg eines einfachen Zigeunermädchens zu einer Persönlichkeit des öffentlichen Lebens. Bei der Wahrsagerin Madame Buchela gaben sich einst Vertreter der Bonner und der internationalen Prominenz die Klinke in die Hand. Ihr Rolle bei der Aufklärung der Lebacher Soldatenmorde machte die Frau aus Honzrath zur bekanntesten Hellseherin Deutschlands. Als „Seherin von Bonn“ galt die Wahrsagerin Madame Buchela in den fünfziger, sechziger und siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Sie stammte ursprünglich aus kleinen Verhältnissen und wurde 1899 in Honzrath geboren.

 

Im Wohnwagen unterwegs

Die Eltern gehörten zu einer aus Frankreich (Elsass-Lothringen?) stammenden Sinti-Sippe, der Vater, Anton, war Hausierer und Musiker, die Mutter hieß Josephina (geborene Adel). Margarethe zog mit ihren Eltern und sechs Geschwistern in einem Wohnwagen durch die Lande. Hellseherische Fähigkeiten will sie schon im frühen Kindesalter an sich entdeckt haben, angeblich ein Erbe der Großmutter. So soll sie schon früh befreundeten Kindern hinter dem Wohnwagen für ein paar Pfennige die Zukunft gedeutet und im zarten Alter von acht Jahren der Mutter den Tod ihres Bruders Anton prophezeit haben, der tatsächlich wenig später beim Reinigen der väterlichen Pistole ums Leben kam. Ein einschneidendes Erlebnis, denn danach wurden die Kinder der elterlichen Aufsicht entzogen und auf verschiedene Heime verteilt.

Margarethe wurde ins Waisenhaus der Borromäerinnen in St. Wendel eingewiesen. In ihrer Zeit bei den Nonnen hatte das zierliche, schwarzhaarige, nur 1,50 Meter große Mädchen angeblich die hellseherische Gabe verloren, doch sobald sie die Klostermauern hinter sich gelassen und als Dienstmädchen in Lebach Anstellung gefunden hatte, sollte sie ihre seherischen Fähigkeiten zurückerlangen. Sie zog nach Köln zu ihrer Mutter, wo sie als Hausiererin, die Spitzendeckchen verkaufte, zum Unterhalt der Familie beitrug. Hier lernte sie Adam Goussanthier kennen.

Dann kam im Nazi-Deutschland das Unglück über die Familie. Margarethe hatte (anders als die meisten ihrer Verwandten) das Glück, das KZ zu überleben und nahm nach Ende des Zweiten Weltkrieges im Großraum Bonn, Köln, Düsseldorf ihre Arbeit als Hausiererin wieder auf, wobei sie ihren Kunden auf Wunsch nun auch zusätzlich die Zukunft voraussagte.

Im Alter von 54 Jahren gelang ihr 1953 durch die Prophezeiung eines hohen Wahlsieges der CDU unter Bundeskanzler Konrad Adenauer, der angeblich fürderhin zu ihren ständigen Klienten zählte, der große Durchbruch. Ihre Prophezeiungen wurden nun fester Bestandteil der Klatschspalten in der Presse.

Mit ihrem Umzug nach Remagen in ein Haus, das ihr 1961 zwei ehemalige Kundinnen als Dank für lukrative Geschäftstipps vererbt hatten, begann Madame Buchelas weiterer unaufhaltsamer Aufstieg zur „Pythia vom Rhein“: Prominente aus Politik und Gesellschaft gingen nun bei ihr auf dem Viktoriaberg ein und aus. In ihrer Glanzzeit sollen es bis zu 40 Kunden täglich gewesen sein. Am 8. November 1986 starb die „Seherin von Bonn“ in einer Klinik.

"Kein Tor! Kein Tor! Kein Tor!"

Die flehenden Hilferufe von Rudi Michels an den Fußballgott am 30. Juli 1966 wird sicher noch mancher Fernsehzuschauer im Ohr haben. Gerade war das so genannte Wembley-Tor gefallen. Einen Tag zuvor hatte der WDR die bekannte Hellseherin Madame Buchela in sein Studio geladen und sie um eine Voraussage des Finalergebnisses gebeten: „Der Deutsche schießt zwei Tore und der Engländer, seh' ich immer wieder, dass er nicht gerade drei bekommt. Ich seh' bloß 2:2. Als wenn's unentschieden morgen ausgeht.“ Das prophezeite sie . . .

Entscheidender Hinweis

Anno 1966 hatte sich Madame Buchela als Wahrsagerin schon einen gewissen Grad an Renommee erworben. Doch infolge ihres entscheidenden Beitrages zur Aufklärung der schrecklichen Soldatenmorde von Lebach wurde sie zu einer bundesweit bekannten Person der Zeitgeschichte. Die Fakten: Am 20. Januar 1969 waren zwei bewaffnete Männer in das Munitionsdepot des Fallschirmjägerbataillons 261 eingedrungen, hatten vier der fünf Dienst habenden Wachsoldaten getötet, den fünften schwer verletzt und Waffen sowie Munition erbeutet. Madame Buchela war von den Killern, die von vermögenden Bürgern unter konkretem Hinweis auf ihre Täterschaft in Lebach Gelder erpressen wollten, als potenzielles Opfer von Folgeverbrechen ausgespäht worden. Die Kriminellen hatten Madame Buchela ein Dutzend Mal in Remagen aufgesucht, sich als „Dr. Sardo“ und dessen Privatsekretär vorgestellt. Offenbar waren die jungen Männer der Hellseherin nicht ganz geheuer, weswegen sie deren Autokennzeichen notieren ließ. Der Name „Dr. Sardo“ war Madame Buchela daher hinreichend geläufig.

Mit diesem Plakat fahndete die
Polizei nach den Soldatenmorden
von Lebach nach den Tätern.
Madame Buchela leistete einen
nicht unerheblichen Anteil zur
Auflösung des Falles. Repro: SZ

Als das ZDF am 11. April 1969 den Fall in seiner Sendung „Aktenzeichen XY... ungelöst“ aufgriff und in diesem Zusammenhang von einem mit „Dr. Sardo“ gezeichneten Erpressertelegramm an einen Münchner Finanzmakler berichtete, wurde Madame Buchela hellhörig und gab der Polizei den entscheidenden Hinweis mit dem Autokennzeichen. Wofür sie 40 Prozent der zur Aufklärung ausgesetzten Belohnung, nämlich 27 000 Mark, erhielt. Es waren also bei der Aufklärungshilfe keinerlei übersinnliche Fähigkeiten seitens Madame Buchelas im Spiel. Aber dieses Faktum scheint die breite Öffentlichkeit schnell vergessen zu haben. Der Mythos der Hellseherin, die sogar Verbrechen aufdecken konnte, war geboren und wurde gepflegt.

Wer war nun die Frau, die sich das Pseudonym Madame Buchela zugelegt hatte? Sie wurde am 12. Oktober 1899 auf einem Feld bei Honzrath geboren, nach eigenen Angaben unter einer Buche, woraus sie später ihren Künstlernamen ableitete. Mit bürgerlichem Namen hieß sie Margarethe Meerstein (andere Versionen ihres Namens: Margarete Meerstein, Margarete Merstein, Margaretha Meerstein, Margareta Meerstein).

Auf einen Blick

Das Leben der Madame Buchela wurde von der Kultur der Fahrenden und der des Bürgertums gleichermaßen geprägt. So stand es in einer Würdigung des „Bonner General-Anzeigers“ zum 20. Todestag. Ihr Weg führte erst durch traumatische Erlebnisse und Einsamkeit, bevor sie gesellschaftliche Anerkennung erhielt. In Remagen wurde sie nach Aussage von Zeitzeugen als „eine ganz einfache Frau“ wahrgenommen, die „schalkhaft, nett und humorvoll“ gewesen sein soll. red

Von SZ-Mitarbeiter Peter Lempert
Produktion dieser Seite: Wulf Wein, Gerhard Franz

QuelleSaarbrücker Zeitung vom 16. 04. 2010